Donnerstag, 4. November 2010

Die Linke, der Antisemitismus und das Verhältnis zu Israel


Mehr als 150 Besuchern saßen dichtgedrängt im großen Saal des Erlanger Dreycedernhauses, als der Nürnberger Publizist und Philosoph Robert Kurz auf Einladung der Jüdischen Gemeinde Erlangen, des Landesarbeitskreises "Shalom" der Linksjugend ´solid und des EXIT!-Lesekreises der gleichnamigen Theoriezeitschrift seinen Vortrag über "Israel und die Linke"hielt. Einige Interessenten mussten auch im Eingangsbereich stehen, weil einfach kein Platz mehr war. Die Moderation übernahm Dieter Stolpe, Kreisvorsitzender der Erlanger Linkspartei bis 2008. Robert Kurz schlug in seinem Referat eine großen Bogen von der Geschichte der Judenverfolgung bis hin zum modernen Antisemitismus und verband das mit einer dezidierten Kapitalismusanalyse.

Es gebe nun offenbar einen Skandal, der größer ist als Unterdrückung, Krieg und Gewalt schlechthin, nämlich den Skandal der Existenz Israels als schwer bewaffneter Macht. Man habe sich über Jahrhunderte daran gewöhnt, dass Juden nackt und wehrlos auf ihren Abtransport warten. Dass es nun aber Juden sind, die ihre Feinde bombardieren und aus Panzerkanonen beschießen, erzeuge anscheinend eine andere Qualität des, moralischen Ekels, die sich weit vor jeder historischen Einordnung des Konflikts manifestiere. „Die Kurden haben das Pech, dass sie nicht von Israel unterdrückt werden“. Genauer könne man die einseitige Beurteilung israelischer Politik durch die Weltöffentlichkeit nicht auf den Punkt bringen. Viel Beifall brachte seine Forderung nach Israelsolidarität, gerade unter den Linken.

"Der Nahost-Konflikt steht stellvertretend für den unausgegorenen Selbstwiderspruch einer Linken, die ihrer Verunsicherung nicht auf den Grund gehen will und insgesamt von der stets verleugneten Krisendynamik überrollt wird. Eine räudig gewordene linke Ideologie projiziert in die Machtgebilde von Hamas und Hisbollah krampfhaft eine „soziale“ Qualität hinein; bis hin zu Äußerungen, die in der Hamas wählenden Bevölkerung von Gaza oder in dem Regime selbst sogar die „Pariser Kommune“ wiedererkennen wollen. Eine schlimmere Verblendung ist kaum denkbar; aber die historischen Analogieschlüsse werden eben umso hemmungsloser, je mehr sie nur noch gefühlsmäßig auf die Ausweglosigkeit des eigenen Denkmusters reagieren." so Kurz.

So werde auch die Situation von Millionen palästinensischen Flüchtlingen in den Lagern der arabischen "Brudervölker" nicht zur Kenntnis genommen. Teilweise schon in dritter Generation werden ihnen, Staatsbürgerschaft, Berufsausbildung, Arbeitserlaubnis und Reisefreiheit verwehrt. Statt dessen werden sie auf eine "Rückkehr" konditioniert in ein Land, das viele von ihnen noch nie gesehen haben. In der anschließenden spannenden und kontroversen Diskussion kochten die Emotionen teilweise recht hoch.

Der Organisator, Stadtrat der Erlanger Linken, Frank Heinze abschließend im Namen der Veranstalter: "Wir sind überwältigt vom Interesse an diesem doch sehr speziellen Thema. Ganz große Klasse, wie Robert Kurz es in der kurzen Zeit von zweieinhalb Stunden geschafft hat, dieses komplexe Thema verständlich abzuhandeln. Es muss gerade bei uns Linken offen diskutiert werden können, warum Linke sich handgemein machen mit religiösen Fundamentalisten und zumindest billigend in Kauf nehmen, Terrororganisationen wie HAMAS zu unterstützen und damit die Existenz Israels und der Juden gefährden." Weitere Veranstaltungen zu diesem Thema sind in Planung.

Heribert Schmitz, Vorsitzender DIG e.V. AG Nürnberg - Mittelfranken: " Gute Referenten sind weiter zu empfehlen. Deshalb: Eine tiefgehende Analyse, rhetorisch absolut souverän, anspruchsvoll."

Bezeichnend war massiver Vandalismus gegen die Veranstaltungsplakate, bis hin zu Hakenkreuzschmierereien. Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft war erfolglos, die Ermittlungen wurden mittlerweile wieder eingestellt.


Der Vortrag kann hier heruntergeladen werden:

http://audioarchiv.blogsport.de/2010/10/24/robert-kurz-israel/

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