Donnerstag, 15. September 2011

Ist der Begriff "Islamophobie" ein Kampfbegriff gegen Islamkritik?

Diese Frage wollte Klaus Blees von der NGO "Aktion 3.Welt Saar" am Dienstag in Erlangen klären. Die Veranstaltung wurde organisiert vom LAK Shalom der Linksjugend Bayern und Haskala Bayern, einer Plattform gegen Antisemitismus.Die Moderation übernahm Frank Heinze von den autonomen Linken.


Um die 60 interessierte BesucherInnen hatten sich dazu im Freizeitzentrum Frankenhof eingefunden. Wie groß das Interesse am Thema ist, zeigte sich an der fast zweistündigen, intensiv aber fair und offen geführten Diskussion, die sich an den vierzigminütigen Vortrag anschloss.

Blees führte aus, “Islamophobie” bezeichne die Diskriminierung und Verfolgung von Moslems aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit. Das Wort ist angelehnt an die Begriffsbildungen “Homophobie” für Schwulenfeindlichkeit und “Xenophobie” für Fremdenfeindlichkeit. Als “islamophob” werden jedoch nicht nur gegen Moslems hetzende Rechtsextremisten gebrandmarkt, sondern oft auch säkulare oder linke
Islamkritiker, die aus einer emanzipatorischen, religions- und herrschaftskritischen Perspektive argumentieren. Dabei ist es nicht nur aufschlussreich, zu sehen, gegen wen sich der Vorwurf der “Islamophobie” häufig richtet, sondern auch, wer ihn so alles erhebt. In Großbritannien hat die 1953 in Jordanien im Umfeld der
Moslembruderschaft gegründete Hisb ut-Tahrir eine Kampagne "Stoppt die Islamophobie“ gestartet. Diese Gruppe arbeitete in Deutschland, wo sie mittlerweile verboten, aber nach wie vor aktiv ist, mit Neonazis zusammen, unterstützt Selbstmordanschläge in Israel und möchte weltweit die Scharia einführen.

Das Referat stützte sich auf die vielfältigen bisherigen Veröffentlichungen von Blees (u.a. „Konkret“,der „Jungle World“ und in der Quartalszeitschrift "Materialien und Informationen zur Zeit" (MIZ) ). Dort führt er weiter aus:

Der Sinn derartiger Kampagnen gegen "Islamophobie“ liege damit auf der Hand: Kritikern islamischer Unterdrückungspraktiken die Mäuler zu stopfen und widerwärtige Menschenrechtssimulationen wie die "Kairoer Erklärung" aus der Schusslinie zu halten, auch mit dem Versuch, strafrechtliche Sanktionen der Islamkritik im internationalen Recht zu verankern. Die Relativierung oder Leugnung von Antisemitismus durch
seine Gleichsetzung mit "Antiislamismus" vernebelt darüberhinaus den Blick auf die in großen Teilen des islamischen Einflussbereichs grassierende Judenfeindschaft und den virulenten Wunsch nach Vernichtung Israels, die sich durch diese Täter-Opfer-Umkehr der Benennung und Verurteilung entziehen lassen. Da braucht es nicht zu verwundern, dass Nazis in diesen Chor mit einstimmen, nicht wenige von ihnen sogar zum Islam konvertieren, zumal es auch sonst weitgehende ideologische und politische Übereinstimmungen gibt.

Nun lasse sich einwenden, der Islamophobie-Vorwurf werde zwar häufig instrumentalisiert oder in inflationärer, missbräuchlicher Weise benutzt, doch schaffe diese Feststellung nicht den Tatbestand der Islamophobie selbst und einer massiv zunehmenden Diskriminierung von Moslems aus der Welt. Doch ist es wirklich angebracht, von einem solch spezifischen Tatbestand auszugehen? Der aus Indien stammende britische Publizist Kenan Malik hat dies für Großbritannien untersucht und aufgrund seiner Befunde verneint. Moslems sind von Diskriminierung betroffen, aber in der Regel nicht wegen ihres Glaubens. Hauptbedingungen von Diskriminierungen sind vielmehr Faktoren wie Klassenzugehörigkeit und Hautfarbe, bei Moslems wie Nichtmoslems.

Im Gegensatz zu Islamkritik wendet sich reaktionäre Islamfeindschaft nicht gegen die inhumanen Merkmale des Islam, sondern lehnt ihn ab, weil er als „fremd" wahrgenommen wird, fremd im völkischen und / oder
religiösen - meist christlichen - Sinne. Dies geht einher mit der Abwertung von Moslems als Menschen, einschließlich abwertender Bezeichnungen wie „Musels" oder „Ziegenficker" sowie Forderungen der
Art, alle Moslems auszuweisen. Für diese Szene sind Schlagworte wie „Überfremdung" oder „Türkisierung" charakteristisch.

Häufig wird der Begriff aber auch bei antirassistischen Gruppen und in der Friedensbewegung verwendet. Darin sei hauptsächlich eine kulturrelativistisch begründete falsche Toleranz zu sehen. Oft sind es
Menschen, die sich als links und antirassistisch verstehen oder in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, die es als Ausdruck von „Solidarität“ betrachten, wenn sie die in den Herkunftsländern herrschenden Kollektivzwänge wie etwa Zwangsverheiratung oder Schleierpflicht unkritisiert lassen. „Die haben halt eine andere Kultur...“, heißt es dann.

Diese Toleranz ist falsch und bringt einen Rassismus mit antirassistischem Anstrich hervor. Migranten werden von Teilen des friedensbewegten und antirassistischen Spektrums als einer anderen,
beispielsweise moslemischen Kultur zugehörig wahrgenommen, in der andere als die „westlichen" Werte gelten und zu gelten haben. Das Anlegen der ethischen Maßstäbe der Aufklärung, der Moderne, gilt dann als paternalistisch und eurozentristisch und im Fall moslemischer Communities als „islamophob". Doch was ist es anders als reaktionär, kollektive Zwangsidentitäten, die für die Individuen oft die Hölle
bedeuten, unter Bestandsschutz zu stellen, Gruppenrechten den Vorrang vor individuellen Freiheitsrechten zu geben?

Unterdrückungsverhältnisse sind zu kritisieren und zu bekämpfen, gleich, wie sie ideologisch legitimiert werden, ob religiös oder areligiös. Während allerdings das Christentum, wenn auch nicht
überall, durch Aufklärung und Säkularisierung geschwächt, gezähmt, zu einem gewissen Grad auch »verweltlicht« ist, gilt dies für große Teile islamischer oder islamisch dominierter Länder einschließlich der
Diaspora nicht. Der Entrechtung, Demütigung und gewaltsamen Verfolgung von Menschen durch orthodoxen Alltagsislam in Form von beispielsweise Kopftuchzwang, Zwangsverheiratungen, Ehrenmorden oder Homophobie ist kompromisslos entgegenzutreten. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Den grassierenden Antisemitismus und Antiamerikanismus hinzunehmen oder herunterzuspielen, der im politischen Islam im Extremfall die Form des Jihadismus und des eliminatorischen Judenhasses annimmt, verbietet das von Adorno formulierte Diktum.

Dieser kategorische Imperativ schließe die Solidarität mit Israel und seiner Selbstverteidigung ebenso ein wie die Bekämpfung der Taliban in Afghanistan und die Notwendigkeit, das Ende des iranischen Mullahregimes herbeizuführen.

Zum Abschluss und als Resumee wurde von der Moderation der Nürnberger Publizist Robert Kurz zitiert:

"Neofaschistische Strömungen in aller Welt gehen... mit dem antisemitischen islamistischen „Widerstandskampf“ konform, obwohl sie gleichzeitig rassistische Stimmungen gegen Migranten aus den islamischen Ländern schüren. Auch große Teile der globalen Linken begannen umstandslos die Glorifizierung des alten „Antiimperialismus“ auf die islamistischen Bewegungen und Regimes zu übertragen. Das kann nur als ideologische Verwahrlosung gekennzeichnet werden, denn der Islamismus steht gegen alles, wofür die Linke jemals eingetreten ist; er verfolgt jedes marxistische Denken mit gnadenloser Unterdrückung und Folter, er stellt Homosexualität unter Todesstrafe und behandelt die Frauen als Menschen zweiter Klasse." Robert Kurz, "Der Krieg gegen die Juden" 2009

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