Der Arbeitskreis Shalom wurde gegründet, um die blinden Flecken linker Gesellschaftskritik – Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus – zu beleuchten und endlich der Kritik auszusetzen, der sie sich viel zu lange entzogen haben. Er wendet sich mit seiner Kritik an die gesamte Gesellschaft, also ausdrücklich auch an das eigene Lager. Ehrlichkeit und deutliche Worte, so wenig gelitten sie in Wirklichkeit sind, wenn sie nicht den Gegner, sondern den Mitstreiter betreffen, sind obligatorische Bestandteile jeder gesunden Beziehung. Jeder Mensch, der den Verstand höher schätzt als die Emotion, kurz: jeder zurechnungsfähige Zeitgenosse dürfte daran nichts auszusetzen haben, und die unzurechnungsfähigen sind sowieso nicht zufrieden zu stellen. So wollen wir die Diplomatie beiseite lassen und Klartext reden.
Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiver Antikapitalismus sind keine Alleinstellungsmerkmale einer bestimmten politischen Richtung, sondern in der gesamten Gesellschaft verbreitete Geisteskrankheiten, deren Symptome zwar vielfältig sind und sich immer auch, man verzeihe uns die blöde Phrase, “ein Stück weit” nach dem Weltbild der befallenen Person richten, jedoch immer die gleiche Wahnvorstellung vermitteln: ein Unvolk parasitärer, global agierender Wesenheiten, das für sich die Weltherrschaft beanspruche und unschuldige Völker ihres Blutes, ihres Bodens und ihrer Reichtümer beraube. Der Antisemitismus ist dabei auf Juden fixiert, der Antizionismus auf den Judenstaat und dessen Unterstützer, der Antiamerikanismus auf die USA und deren Unterstützer und der regressive Antikapitalismus auf “raffende Kapitalisten”, neudeutsch: Heuschrecken, also wandernde Schädlinge. Genaue Definitionen dieser vier Geisteskrankheiten müssen hier aus Platzgründen ausbleiben, sind dem interessierten Leser jedoch unter folgenden Adressen jederzeit zugänglich: http://shalom-bayern.blogspot.com/2011/04/uber-antisemitismus-antizionismus-und.html (für Antisemitismus, Antizionismus und Antiamerikanismus) und http://bak-shalom.de/index.php/materialien-des-bak-shalom/wir/begriffserklarung-regressiver-antikapitalismus/(für regressiven Antikapitalismus).
Die vier genannten Geisteskrankheiten sind nicht spezifisch deutsch – es gibt sie fast überall auf der Welt –, wurden aber in Deutschland sehr lange für gesunden Menschenverstand gehalten und waren von 1933 bis 1945 Staatsdoktrin. Die Folgen sind bekannt, die Ursachen wurden ausgeblendet und durch die Wahrnehmung ersetzt, da hätten ein paar Unmenschen die Macht an sich gerissen und das brave deutsche Volk zu furchtbaren Taten gezwungen, weshalb dieses brave deutsche Volk nun auf nicht absehbare Zeit dazu verdammt sei, nichts mehr gegen die arroganten Juden zu unternehmen, den blutrünstigen Judenstaat zu unterstützen, die eigene Kultur der Unkultur der Amis zu opfern und das Volksvermögen heimatlosen Raffzähnen zum Fraße vorzuwerfen.
Der Nationalsozialismus ist tot und der Ungeist, der ihn schuf, stark machte und in Amt und Würden erhob, beklagt sich selbst als Opfer seiner Schöpfung. So sieht sie aus, die deutsche Erblast. Vermischt sich diese Erblast mit einer nicht zwangsläufig linken, aber in der politischen Linken weit verbreiteten Ideologie namens “Antiimperialismus”, die im wesentlichen aus der Überzeugung besteht, alle nicht kommunistischen Staaten, besonders die USA und Israel, seien Räuber und Mörder (intelligente Antiimperialisten würden hier widersprechen, müssen sich aber damit abfinden, dass sie die einzigen sind, die Widerspruch für nötig halten), entsteht ein brüllend selbstgerechter linksvölkischer Wahn, angetrieben vom typisch linken und für sich genommen durchaus hehren Wunsch nach dem Ende der Unterdrückung der Schwachen durch die Starken, aber durchsetzt, vergiftet und pervertiert von nationalsozialistischen Hirngespinsten.
Es gibt also eine Doppelbelastung der deutschen Linken. Jede linke Gruppierung, die sich selbst ernst nimmt, sollte sich dieser Doppelbelastung bewusst sein und alles unternehmen, um die eigene Weltanschauung von solchen Einflüssen zu befreien und frei zu halten – ein frommer Wunsch freilich, der sich noch niemals erfüllte. Von Realsozialismus zu Realsozialismus regierte noch immer zuvörderst der Wahn. Doch nicht nur an der Regierung, auch in der Opposition, vor allem der außerparlamentarischen, neigt die Linke dazu, ihrer Doppelbelastung nachzugeben. Noch allzu frisch ist die Erinnerung an RAF-Angehörige, die sich in Lagern der damals noch eindeutig terroristischen PLO für den bewaffneten Kampf ausbilden ließen, noch allzu frisch die Erinnerung daran, dass es linke Terroristen – die “Revolutionären Zellen” in Entebbe – waren, die erstmals nach 1945 wieder Juden von Nichtjuden selektierten, und allzu selten fand sich eine linke Stimme, die in diesen Verschwisterungen Linker mit völkischen und antisemitischen Bewegungen mehr sah als nur unschöne Auswüchse einer an sich gerechten Sache. Wenn das Schaf auch gerne mal den Mond anheult, muss es sich nicht wundern, wenn es für einen Wolf gehalten wird. Einen Werwolf, besser: Schafwolf. Oviswolf. Schafe sollten nicht heulen. Heult ein Mitglied ihrer Herde, sollten sie sich weder einstimmen noch sich wegdrehen, sondern prüfen, was da los ist. Und genau das tun sie viel zu selten, die roten Schafe.
An dieser Stelle werden viele Linke empört aufschreien, was uns einfalle, sie dermaßen zu diffamieren. Wir müssten doch wissen, dass die Linke ohne Makel sei, und dass jeder Makel, der sich dennoch zeige, entweder auf einer Lügenkampagne der kapitalistischen Medien basiere oder auf die Umtriebe eingeschleuster Agenten zurückzuführen sei. Wir, die “nützlichen Idioten einer kolonialen Staatsmacht” (Hermann Dierkes), arbeiteten doch nur dem politischen Gegner zu und verhielten uns grob unsolidarisch unseren lieben Genoss(inn)en gegenüber. Und genau hierin zeigt sich die Notwendigkeit unserer Existenz: So lange die deutsche Linke hysterisch auf linke Gruppen reagiert, die sich klar gegen nationalsozialistische Inhalte aussprechen, muss sie mit der Kritik leben.
Das größte Problem der Linken also, wie schon angedeutet, ist ihr manichäisches Weltbild. Gut und Böse sind klar definiert, und da alles, was das Gute tut, gut sein muss und alles, was das Böse tut, böse, kann vom Guten nichts Böses und vom Bösen nichts Gutes ausgehen. Das Muster ist aus der Geschichte bekannt: Da glaubt eine manichäische Partei an den Himmel auf Erden, kommt an die Macht und stellt fest, dass das Himmelreich ihr nicht gefolgt ist. Woran das liegt? An mir bestimmt nicht, denkt sich die manichäische Partei, denn ich bin perfekt. Da muss sich ein Bösewicht eingeschlichen haben. Und wo finde ich Bösewichte? Unter meinen Kritikern. Dieses Muster zeigt sich nicht nur in der historischen, sondern leider auch in der heutigen Linken. Es erklärt, warum etwa linker Antisemitismus ein Tabu ist. Antisemitismus ist ein Makel, also kann es ihn in der Linken nicht geben. Wer das Gegenteil behauptet, will ihr schaden. So einfach ist das.
Da der Arbeitskreis Shalom das durchweg positive Selbstbild der Linken nicht bestätigt, wird er als Störer wahrgenommen, als Nestbeschmutzer, und da er der Meinung ist, Israel habe das Recht dazu, mit militärischen Mitteln auf kriegerische Akte seiner Gegner zu reagieren, außerdem als Verein von Kriegstreibern. Kriegstreiber und Nestbeschmutzer zugleich – da muss sie sich wehren, die deutsche Linke, die doch fehlerfrei ist und Angriffskriege gegen Imperialisten für gelebten Pazifismus hält. So ist der Arbeitskreis Shalom (der übrigens der “linksjugend ['solid]” angehört und nicht der Partei “Die Linke”) der einzige linke Arbeitskreis, dessen bloße Existenz zum Start einer gegen ihn gerichteten linken Initiative geführt hat, einer Initiative, der sich neben sehr fragwürdigen Leuten, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen in der Partei “Die Linke” erwünscht sind, obwohl sie es in der PDS nicht waren, auch ein paar ansonsten vernunftbegabte Genoss(inn)en angeschlossen haben, einer Initiative allerdings, die nichts weiter tut, als vorhanden zu sein und durch ihre Präsenz die Gelüste Unverbesserlicher zu befriedigen.
Ist die deutsche Linke auf Israel fixiert? Wer schon einmal ein Statement der deutschen Linken zum Nahostkonflikt gehört oder gelesen hat, wird diese Frage bejahen. Wer indes viele deutsche Linke kennt, wird die Frage verneinen. Die deutsche Linke ist nicht auf Israel fixiert, aber wann immer es um Israel geht, ist sie sich auf sehr hässliche Weise einig. Würde sie sich ernsthaft und sachlich mit Israel befassen, käme sie zu gänzlich anderen Ergebnissen und käute nicht nationalsozialistische Hirngespinste wieder.
Der Arbeitskreis Shalom hat sich der Aufdeckung und Bekämpfung dieser Hirngespinste verschrieben. Wir glauben noch an die Linke, sonst hätten wir sie längst verlassen. Und ehe dieser Beitrag an seinem Pathos erstickt: Der Arbeitskreis Shalom erhebt keinerlei Anspruch auf Unfehlbarkeit, ist sich aber sicher, reale und wenig beachtete Missstände anzusprechen. Es gilt, an die Linke besondere Ansprüche zu stellen, um zu gewährleisten, dass die Linke tatsächlich besser arbeitet als ihre Vorgänger und Konkurrenten und, sofern sie dennoch dieselben Fehler macht, dies wenigstens nicht ungehindert tut.
Quelle: http://www.ruhrbarone.de/lak-shalom-antisemitismus-antiamerikanismus-und-die-linke/
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