Vor einem knappen Jahr konstituierte sich der Landesarbeitskreis Shalom (LAK Shalom) als Teil der Nachwuchsorganisation der Linkspartei auch in Bayern. Schlamassel Muc sprach mit dem Postbeauftragten der jungen Vereinigung, Frank Irle, über Kritik und seine bayerischen Genossinnen und Genossen.
Hallo Frank, schön, dass Du für ein Interview Zeit gefunden hast. Für welche Ziele tritt der Landesarbeitskreis Shalom ein?
Wir treten ein für eine Linke, die frei ist von Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerkanismus und regressiven Antikapitalismus, also von nationalsozialistischen Elementen. Jede linke Bewegung, die ernsthaft für eine bessere Welt streitet, muss schonungslos Selbstkritik betreiben, um zu gewährleisten, dass ihre Ideale nicht korrumpiert werden. Da diese Selbstkritik so gut wie gar nicht erfolgte, gründete sich der BAK Shalom als ungeliebtes, aber notwendiges Korrektiv.
Wir wenden uns auch gegen den Antiimperialismus, der während des Kalten Krieges eine gewisse Berechtigung hatte, aber mittlerweile zu einer nationalistischen Blut- und Boden-Ideologie degeneriert ist und außerhalb völkischer Wahnwelten als Weltanschauung nicht mehr haltbar ist – weswegen ihn auch die NPD aufgegriffen hat.
Gibt es in der Partei DIE LINKE überhaupt Antisemitismus?
Antisemitismus gibt es überall, auch in der Partei DIE LINKE. Ein weit größeres Problem stellt hier jedoch der Antizionismus dar. Sogar Angehörige der Linksfraktion im Bundestag hetzen regelmäßig gegen Israel und solidarisieren sich im Gegenzug mit islamistischen Terrorgruppen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Abgeordnete Inge Höger, deren Umtriebe wir kürzlich auf unserer Website kommentiert haben. Da deutsche Gerichte oftmals sehr sonderbare Ansichten darüber vertreten, was Antisemitismus sei und was nicht, möchte ich sie allerdings nicht als Antisemitin bezeichnen, gleichwohl ihr Hass auf Israel grenzenlos scheint.
Ging die Gründung unkompliziert über die Bühne? Wie wurde die Gründung von der Linksjugend Solid Bayern und wie von der bayerischen Linkspartei aufgenommen?
Die Gründung verlief relativ unkompliziert, da über die grundsätzlichen Anliegen kein Dissens bestand. Die Partei DIE LINKE beäugt uns seither misstrauisch bis ablehnend, aber es gibt auch viele Genossinnen und Genossen, die unsere Arbeit unterstützen. Die Linksjugend hat anfänglich versucht, dem Arbeitskreis Steine in den Weg zu legen, jedoch scheint sie sich allmählich mit uns abzufinden.
Euer Arbeitskreis kann bald sein Einjähriges feiern. Was konnte bislang erreicht werden?
Wir haben überlebt. Das klingt banal, ist aber eine beachtliche Leistung angesichts der Tatsache, dass wir größtenteils als Störfaktor wahrgenommen werden. Und wir haben eine stabile Basis geschaffen, auf deren Grundlage wir weiter engagiert arbeiten können. Gut, vielleicht hat uns auch die Feindseligkeit einiger Linker genützt, denn diejenigen, die uns hassen, haben uns auch dann im Gespräch gehalten, wenn wir die Arbeit mal schleifen ließen. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei unseren erklärten Gegnern.
Norman Paech sprach im September 2009 auf einer Wahlkampfveranstaltung in München davon, der Bundesarbeitskreis Shalom bestehe im Wesentlichen aus „sogenannten Antideutschen“. Liegt Herr Paech mit seiner Einschätzung richtig?
Norman Paech liegt insofern richtig, als er von „sogenannten Antideutschen“ spricht. Tatsächlich werden wir so genannt, und zwar in der Regel von Leuten, die uns primär als proisraelisch wahrnehmen und aus unerfindlichen Gründen der Ansicht zu sein scheinen, wer immer auf der Seite Israels stehe, sei ein Feind Deutschlands. Dass der Arbeitskreis Shalom als antideutsch wahrgenommen wird, ist nur ein weiteres gutes Argument für die Notwendigkeit seiner Existenz.
Auf selbiger Veranstaltung stellte sich ein Mitglied einer „Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe“ vor. Er kündigte an, die Partei DIE LINKE nicht zu wählen, wenn der Arbeitskreis Shalom an Einfluss gewänne. Kostet oder bringt Eure Arbeit der Partei per Saldo Stimmen?
Das lässt sich nicht voraussagen und ist auch nicht so wichtig. Erstens gibt es auch viele Menschen, die die Partei derzeit nicht wählen, weil der Arbeitskreis Shalom zu wenig Einfluss hat, zweitens können wir, wenn wir ehrlich bleiben wollen, nicht auf jede Befindlichkeit Rücksicht nehmen, sondern müssen uns daran halten, was wir als richtig erkennen. Auch die Partei DIE LINKE kriecht nicht in jeden Hintern, der sich ihr entgegenreckt, sondern bietet bestimmte Grundüberzeugungen an und lädt jeden Menschen, der diese teilt, zur Mitarbeit ein.
Auf dem letzten Parteitag in Bayern wurde die Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt „Palästinasolidarität“ vertagt. Wie könnte es weitergehen?
Wir hatten dazu einen offenen Brief formuliert, in dem die Delegierten des Landesparteitages darum gebeten wurden, dem Antrag nicht zuzustimmen. Da es nicht zur Abstimmung kam, werden wir die Sache im Auge behalten und uns gegebenenfalls erneut dazu äußern. Mehr als Überzeugungsarbeit können wir aus naheliegenden Gründen nicht leisten.
In den nächsten Wochen sind in Bayern im Vorfeld eines möglichen zweiten Starts einer sogenannten Hilfsflotte nach Gaza viele israelkritische Vorträge und Aktionen geplant. Wird sich der LAK Shalom in Zukunft öfter einmischen?
In Zukunft ist verstärkt mit Kritik zu rechnen. Wir haben uns wieder aufgerappelt und sind Feuer und Flamme, noch viel lästiger zu werden, als wir bisher waren.
Einige skeptische Personen vertreten die Ansicht, sie würden nicht an eine Organisation Mitgliedsbeiträge entrichten, die der Partei DIE LINKE nahe steht, solange Personen wie Sevim Dagdelen im Bund oder Rolf-Henning Hintze in Bayern Mehrheiten hinter sich bringen können.
Wir können nur immer wieder bitten: Tretet bei, liebe Leute, und unterstützt uns! Die aktuellen Missstände lassen sich nur ändern, wenn sich genügend Menschen dafür einsetzen. Es ist noch lange nicht alles verloren. Die Israelhasser haben nur Emotionen, keine haltbaren Argumente. Gespräche unter vier Augen können Wunder wirken, aber sie müssen geführt werden.
Und wir haben Zeit: Bis die Partei DIE LINKE über die deutsche Außenpolitik bestimmt, werden realistisch betrachtet noch Jahre vergehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle: http://schlamassel.blogsport.de/2011/04/26/wir-sind-feuer-und-flamme-noch-viel-laestiger-zu-werden/
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